Ehrendoktoren der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in Mathematik

[Wappen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg]

Zur besonderen Würdigung hervorragender wissenschaftlicher Leistungen kann die Fakultät als seltene Auszeichnung den Grad eines „Doktors der Naturwissenschaften ehrenhalber“ (doctor rerum naturalium honoris causa, abgekürzt Dr. rer. nat. h.c.) verleihen. Auf dieser Seite sind diejenigen Mathematiker aufgeführt, denen von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eine solche Ehrenpromotion verliehen wurde. Die Liste ist möglicherweise unvollständig.

Die verleihende Fakultät hat über die Jahrhunderte mit der Zugehörigkeit der Mathematik gewechselt, die

  • 1457–1910 zur Philosophischen Fakultät und
  • 1910–1970 zur Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät gehörte,
  • 1970–2002 die Mathematische Fakultät bildete und
  • seit 2002 Teil der Fakultät für Mathematik und Physik ist.
Die Naturwissenschaftlich-Mathematische Fakultät hat den Ehrengrad Dr. phil. nat. h.c. verliehen. Ehrenpromotionen von Mathematiker:inne:n bis 1910 sind nicht bekannt.

2001   Albert Nikolajewitsch Schirjajew

Albert Schirjajew

Albert Schirjajew (englische Transkription: Shiryaev) studierte Mathematik an der Moskauer Lomonossow-Universität, wo er 1961 bei Andrei Kolmogorow promoviert wurde und sich 1967 habilitierte. 1957 wurde er ans Steklow-Institut berufen, 1970 als Professor an die Lomonossow-Universität.

Schirjajew arbeitet über verschiedene Aspekte der Wahrscheinlichkeitstheorie und hat über 200 Forschungsartikel veröffentlicht sowie vielzitierte Lehrbücher. Schirjajew war mehrfach Gastprofessor in Freiburg.

Quellen:

1991   Georges Reeb

Georges Reeb in Oberwolfach Georges Reeb in Oberwolfach

Georges Reeb (* 1920 in Saverne, † 1993 in Straßburg) studierte Mathematik an der Université de Strasbourg (die wegen der deutschen Okkupation des Elsasses während des Zweiten Weltkrieges nach Clermont-Ferrand evakuiert wurde und nicht mit der „Reichs­universität Straßburg“ zu verwechseln ist) und wurde dort 1948 bei Charles Ehresmann promoviert mit einer thèse d'état, die etwa einer deutschen Habilitation entspricht.
Reeb hat ca. 1949 fast ein Jahr in Oberwolfach verbracht (wo er nach eigener Mitteilung in der Bibliothek schlief), und dies beschrieben als seine interessanteste Reise und die beispiellose Möglichkeit, Forschern aller Richtungen zu begegnen (siehe sein Beitrag in L'Ouvert).
1953 wurde er Professor in Grenoble, 1963 wechselte er nach Straßburg, wo er bis zum Ruhestand blieb.

Reeb hat sich zunächst mit Differentialtopologie und -geometrie, später auch mit Nicht-Standard-Analysis beschäftigt. Nach ihm sind Reeb-Blätterungen und Reeb-Graphen benannt, die er eingeführt und untersucht hat.

Georges Reeb erhielt die Ehrenpromotion für seine wissenschaftlichen Leistungen; die Fakultät würdigte damit aber auch Reebs Kontakte zum Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach und zu den Freiburger Mathematikern.

Quellen:

1957   Heinz Hopf

Heinz Hopf

Heinz Hopf (* 1894 in Gräbschen bei Breslau, † 1971 in Zollikon) studierte Mathematik in Breslau, Heidelberg und Berlin, wo er 1925 bei Erhard Schmidt promoviert wurde. Habilitation 1926 in Göttingen, ab 1931 bis zum Ruhestand 1965 Professor an der ETH Zürich.

Hopf war einer der führenden Topologen seiner Zeit und insbesondere Wegbereiter der algebraischen Topologie. Nach ihm sind neben vielen anderen mathematischen Objekten die Hopf-Algebren benannt.

Hopf bekam 1931 zunächst den Ruf nach Freiburg auf den Heffter-Lehrstuhl, zog aber die Nachfolge Hermann Weyls an der ETH Zürich vor – eine für ihn glückliche Entscheidung angesichts der folgenden politischen Entwicklungen in Deutschland.
Die Ehrenpromotion ist wohl im Rahmen des 500-jährigen Universitätsjubiläums verliehen worden und vermutlich auf Süss als Dank für die enge Verbindung Hopfs mit Oberwolfach zurückzuführen: Hopf besuchte bereits 1946 Oberwolfach und verhalf dadurch dem Institut zu internationaler Anerkennung: „Der erste große Name im Gästebuch ist Heinz Hopf (Zürich), ein Topologe von Weltruf. Im November 1946 war Henri Cartan, dessen Familie während der deutschen Besatzung großes Leid erdulden mußte, zu Besuch. Ohne Hopf und Cartan wäre Oberwolfach damals vielleicht eine Sommerfrische für Mathematiker geblieben, wo würdige Herren in beschaulicher Ruhe klassische Theorien polierten. Gott sei Dank kam es anders.“ (Reinhold Remmert, in: Oberwolfach Jahresbericht 2007)

Eine Laudatio ist in unseren Unterlagen nicht vorhanden. Konrad Voss berichtet in seinem Nachruf die folgende Anekdote: Die hohe Wertschätzung, die ihm von allen Seiten entgegengebracht wurde, kam sehr deutlich zum Ausdruck, als einmal an einer Topologie-Tagung im Mathematischen Forschungsinstitut in Oberwolfach in einer Art Gesellschaftsspiel der bedeutendste lebende Mathematiker ermittelt werden sollte, die Wahl fiel einmütig auf Heinz Hopf.

Quellen:

1932   Ferdinand von Lindemann

Büste Lindemanns im Mathematischen Institut der Universität Freiburg

Ferdinand Lindemann (* 1852 in Hannover, † 1939 in München) studierte Mathematik in Göttingen bei Alfred Clepsch, ging dann mit Felix Klein nach Erlangen, bei dem er 1873 als einer der ersten von dessen unzähligen Doktoranden promoviert wurde. Habilitation 1877 in Würzburg, danach 1877–79 außerordentlicher und 1880–83 ordentlicher Professor für Mathematik in Freiburg. 1883 nach Königsberg berufen, wo er u.a. Doktorvater von Hilbert und Minkowski wurde. Ab 1893 bis zu seiner Emeritierung 1923 war er Professor in München; 1918 wurde er geadelt.

Lindemann ist vor allem bekannt für seinen Beweis der Transzendenz von π (und damit der Unmöglichkeit der Quadratur des Kreises), den er 1882 in Freiburg entdeckte.

Die Ehrenpromotion wurde ihm anlässlich seines 80. Geburtstags verliehen und würdigt den bis heute bedeutendsten Beitrag aus Freiburg zur Mathematik. Eine Laudatio ist in unseren Unterlagen nicht vorhanden. Als Ersatz mag die kurze Darstellung „125 Jahre Beweis der Transzendenz von π“ dienen, die zur Gauß-Vorlesung entstanden ist, die 2007 im Rahmen des 550-jährigen Universitätsjubiläums in Freiburg stattfand.

Quellen:

1923   Moritz Pasch

Moritz Pasch

Moritz Pasch (* 1843 in Breslau, † 1930 in Bad Homburg) studierte Mathematik in Breslau,
wo er 1865 bei Heinrich Schröter promoviert wurde. 1870 Habilitation in Gießen, 1873 außerordentlicher und 1875 ordentlicher Professor in Gießen bis zur Emeritierung 1911.

Pasch wurde bekannt durch seine „streng logische Vorgehensweise in der Geometrie“ (Wikipedia), mit der er zum Vorbereiter der axiomatischen Betrachtungen von Peano und Hilbert wurde, in dem er zum Beispiel das in der Euklidischen Axiomatisierung fehlende
Axiom von Pasch entdeckte.

Die Ehrenpromotion wurde ihm anlässlich seines 80. Geburtstags verliehen. Pasch scheint keine besonderen Bezüge zu Freiburg gehabt zu haben; die Verbindung kam durch Heffter zustande, der sich 1888 in Gießen bei Pasch habilitierte und 1891–97 dort als außerordentlicher Professor Paschs Kollege war.

Eine Laudatio ist in unseren Unterlagen nicht vorhanden. Als Ersatz mögen einige Erinnerungen Lothar Heffters dienen:
Das Ziel meiner Arbeit war nun eine Habilitationsschrift. [...] Über den Ort der Habilitation hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. [...] In den Osterferien 1887 war ich arbeitend vier Wochen in Marburg und hörte, dass Pasch im benachbarten Gießen sich einen Privatdozenten wünsche, was eine vorsichtige Fühlungsnahme mit ihm bestätigte. Nun hieß also die Parole: „ Habilitation in Gießen!“ [...] Pasch aber und seine Frau kamen mir aufs freundlichste entgegen. (Beglückte Rückschau, S. 54 f)
Mit den mathematischen Fachgenossen, Pasch und Netto, stand ich dank ihrem Entgegenkommen in besonders nahem Verhältnis, da sie mich wissenschaftlich und persönlich als völlig gleichberechtigt behandelten. Bezeichnend war Folgendes. Als ich einen kurzen Besuch von Koehler hatte und ihn mit den beiden bekannt machen wollte, teilte ich diesen kurz mit, Koehler aus Heidelberg sei hier und zu der und der Stunde in der Helffer'schen Laube zu sprechen, woraus sich beide einfanden. Koehler wollte Kopf stehen vor Staunen über diesen Ton eines Privat­dozenten gegen die ordentlichen „Oberkollegen“, der in Heidleberg undenkbar gewesen wäre. Eine heitere, für Pasch charakteristische Szene erlebten wir bei einem Ausflug des samstags wandernden „Rennklubs“ im schönen Park von Braunfels. Wir wollten ihn durchqueren, als ein hohes, eisernes Gittertor uns den Ausgang an der beabsichtigten Stelle verwehrte. Aber wir überwanden das Hindernis, indem wir einzeln hinüberkletterten. Als der letzte glücklich draußen angelangt war, sagte Pasch: „Nun wollen wir aber nachsehen, ob das Tor wirklich verschlossen ist!“ Und siehe da, es war nicht verschlossen! — Oft trafen wir drei Mathematiker uns auch in dem mathematischen Verein der Studenten, den ich ziemlich regelmäßig besucht, um den persönlichen Kontakkt zu pflegen. — Pasch und Netto hatte ich es natürlich auch zu verdanken, daß ich schon 1891 zum außerordentlichen Professor ernannt wurde. Das war zwar nicht mit Gehalt verbunden., aber ich erhielt Beamtencharakter [...] (Beglückte Rückschau, S. 67 f)

Quellen: